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1 : 1 aus dem baublatt Nr. 77 vom 21. September 2004

 Werbung und Marketing in der Baubranche

Baumaterialien zum Schnäppchenpreis?

 

Wer anders wirbt als andere, fällt auf. Gelegentlich handelt man sich damit aber auch den Ärger seiner Mitbewerber ein. Ein Beispiel aus der Innerschweiz.

Von Robert Stadler

Die Emilio Stecher AG in Root bei Luzern zählt zu den grössten und bekanntesten Natursteinunternehmen in der Schweiz. In diesem Jahr kann die vielseitig tätige Firma auf ihr 60-jähriges Bestehen zurückblicken. Über 600 Kunden, Lieferanten, weitere Gäste und natürlich die eigenen Mitarbeiter feierten während zweier Sommerabende bei Show, Tanz und kulinarischen Genüssen ein rauschendes Jubiläumsfest. In der grossen Festhalle, die sonst als Plattenlager dient, herrschte eine Bombenstimmung. Firmenchef Emilio Stecher, der das Unternehmen seit vier Jahren in dritter Familiengeneration leitet, zeigte sich am Schluss über den Verlauf des Anlasses höchst befriedigt.

Ungewöhnliche Marketingmethoden

Verstimmt reagierten dagegen einzelne seiner Berufskollegen. Einige waren dem Jubiläumsfest demonstrativ ferngeblieben. Zuvor und danach waren zwei oder drei gar aus dem Naturstein-Verband Schweiz ausgetreten, den Stecher bis vor kurzem präsidiert hatte.

Den Auslöser für die Unstimmigkeiten bilden Stechers Marketingmethoden, die sich vom Branchenüblichen ziemlich stark abheben. Schon Ende des letzten Jahres hatte der selbstbewusst Auftretende Luzerner Unternehmer die teils misstrauische Aufmerksamkeit seiner Mitbewerber erregt. Damals hatte er in zwei der auflagestärksten Publikumszeitschriften - dem «Migros Magazin» (damals noch «Brückenbauer») und der «Coop-Zeitung», aber auch im «baublatt», auf ganzseitigen Inseraten zu einem «grossen Lager-Ausverkauf im vielseitigsten Naturstein-Sortiment der Schweiz» eingeladen. In einer Spezialaktion bot er 15 mm starke Onsernone-Platten - allerdings zweiter Wahl - zu nur gerade 49 Fr. je Quadratmeter an. Im Stil eines Sonderverkaufs für Kleider oder Schuhe war der ursprüngliche Preis von 119 Fr. mit dem Rotstift durchgestrichen.

Während des Firmenjubiläums doppelte Stecher nach: Zu einem stark beworbenen Tag der offenen Tür, zu dem über 1000 Besucher ins Werk nach Root kamen, gewährte er auf gewisse Handelsartikel Rabatte von bis zu 30 Prozent.

«Ohne Werbung läuft nichts»

Schnäppchenangebote, Rabattaktionen, grossflächige Inserate in der Publikumspresse - woran orientiert sich diese Werbestrategie? «Die Dynamik des Wettbewerbs verlangt, dass wir unseren Auftritt nach aussen regelmässig überdenken und neu ausrichten», erklärt Emilio Stecher. «Wichtig ist, dass wir uns dabei immer am Markt und an unseren eigenen Zielen orientieren. Das haben wir auch jetzt wieder getan. Durch innovative Strategien kurbeln wir den Verkauf gezielt an. Zudem schaffen wir damit Vertrauen für unser Unternehmen, das Material Naturstein und die gesamte Branche. Eins steht fest: Ohne ein zeitgemässes Marketing ist selbst das beste Produkt, die beste Dienstleistung nichts wert.» Die teils geharnischten Reaktionen seiner Kollegen kann Stecher nicht nachvollziehen. «Die heutigen Herausforderungen - veränderte Wirtschaftsprozesse, neue Technologien und kürzere Innovationszyklen - verlangen nun einmal ein aktiveres Marketing; was soll daran falsch sein?», meint er. «Wenn andere die Zeichen der Zeit anders beurteilen, so ist das ihr gutes Recht. Aber ich finde es schade, dass man sich über eine Werbung ärgert, bei der ja das Produkt Naturstein im Vordergrund steht. Davon profitieren doch alle in der Branche, auch meine Kritiker.»

Tatsächlich ist in Stechers Anzeigen vordergründig immer allgemein vom Naturstein und dessen Vorzügen die Rede. Dass dann - eher im Kleingedruckten - auch noch der Firmenname erscheint, kann man einem gewinnorientierten Unternehmen ja wohl nicht verübeln.

Der Einwand richtet sich allerdings auch nicht gegen die Werbung als solche, sondern gegen die dahinter stehende Preispolitik. «Wenn ein Kunde sieht, dass im Natursteingeschäft derart hohe Rabatte ge­währt werden, so reisst die unselige Geiz-ist-geil-Mentalität auch in unserer Branche ein», ärgerte sich einer von Stechers Kritikern, der seinen Namen allerdings nicht veröffentlicht sehen möchte.

Die Baumärkte im Visir

Dass Stecher im Jubiläumsjahr mit ungewöhnlich grossen Preisnachlässen wirbt, hat zwei Gründe: Zum einen soll das bisher zu umfangreiche Fertig- und Halbfertigwarenlager auf ein heute branchenübliches Mass reduziert werden. Zum anderen reagiert das Unternehmen auf die zunehmende Konkurrenz ausserhalb der Branche. Emilio Stecher: «Ein grosser ausländischer Bau- und Hobbymarkt-Discounter hat sich direkt vor unserer Haustür angesiedelt. Dieses Unternehmen betreibt ein sehr aggressives Marketing. In einer Firmenzeitung, die in alle Haushaltungen unserer Region verteilt wird, locken Natursteine zu Billigstpreisen; das verfehlt seine Wirkung nicht. Wenn wir solchen Unternehmen das zukünftige Marktgeschehen nicht allein überlassen wollen, müssen wir selbst aktiv werden.»

Allerdings, dessen ist sich auch Stecher bewusst, kann dies unmöglich allein über den Preis erfolgen. «Wir müssen uns in erster Linie über unsere Fachkompetenz und unseren Service profilieren, wie sie Discounter niemals werden anbieten können», stimmt er wohl mit den meisten seiner Kollegen überein. «Aber dennoch dürfen wir unsere Augen nicht davor verschliessen, dass die Baumärkte als harte Mitbewerber auftreten und uns Marktanteile wegzuschnappen versuchen. Wir tun für die Zukunft also bestimmt besser daran, selbst zu agieren, statt verärgert zu reagieren.»

Erwartungen übertroffen

Welche Wirkung hatten die Sonderaktionen im Jubiläumsjahr? Das sei schwierig, zu beurteilen, meint Emilio Stecher. Fest stehe aber, dass die Umsatzerwartungen vor allem am Tag der offenen Tür deutlich übertroffen worden seien. Es seien viele neue Kunden gekommen, die Naturstein bisher nicht oder kaum gekannt hätten. Bei allen Marketingmassnahmen sei aber immer auch die Imagekomponente sehr wichtig, unterstreicht Stecher. Den Kunden Kompetenz, Qualität und Beratung zu vermitteln, stehe an erster Stelle und sei ebenso entscheidend wie die Angebotsvielfalt. Langfristig sei diese Politik erfolgreicher als permanente Sonderangebote oder eine generelle Tiefpreispolitik.

Die Ausgaben für Marketing und Kommunikation machen bei der Firma Stecher ca. 2% des Jahresumsatzes aus. Im Ju­biläumsjahr sind sie naturgemäss etwas höher. Zu den Mehrkosten beigetragen haben nicht nur die Finanzierung des Jubiläumsfestes und eine forcierte Werbung, sondern auch die Herstellung eines 62 Meter langen und 5 Meter hohen Megaposters. Dieses bedeckt die gesamte Längsseite der Lagerhalle in Root und wirbt - direkt an der viel befahrenen Eisenbahnstrecke Zürich-Luzern - plakativ für das Unternehmen und für das Material Naturstein ganz allgemein.

 

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Copyright © 2004 MSP Abdichtungen                                                    Stand: 02. Oktober 2004